Sie sitzen in Wien, Graz oder Salzburg im Stammlokal, die Rechnung für das Abendessen kommt, und Sie zücken die Geldbörse. Die Frage, die uns alle quält: Wie viel Trinkgeld ist angemessen? 10 Prozent? Aufrunden? Ein Mann aus Deutschland hat diese Gewohnheit nun bewusst gebrochen – mit einer 100-Euro-Rechnung, komplett ohne „Tip“.
Seine Begründung, warum er das Trinkgeld streicht, obwohl er es sich leisten könnte, hat die sozialen Medien massiv gespalten. Das Problem ist brandaktuell in Zeiten hoher Inflation: Ist die Wertschätzung für den Service bereits im überteuerten Essen enthalten? Und betrifft uns das auch in Österreich, wo die Gastronomiepreise explodieren?
Der Insider-Blick: Darum ist die alte Trinkgeld-Regel nicht mehr haltbar
Traditionell gilt Trinkgeld wie eine Art „Service-Zuschlag“. Es ist freiwillig, aber in der Gastronomie essenziell, da die Grundlöhne oft niedrig sind. In meiner journalistischen Praxis beobachte ich jedoch, dass sich die Gefühlslage der Konsumenten ändert. Der Fall dieses 30-jährigen Gastes zeigt das deutlich.
Der Mann postete seine Rechnung (übrigens über 100 Euro für vier Hauptspeisen und Getränke, also doch kein Einzelessen) und erklärte: „Nicht, weil ich geizig bin, sondern weil Essen inzwischen unbezahlbar ist. Mein Trinkgeld ist schon im Preis drin.“
Plötzlich steht die Frage im Raum: Wen bestraft man, wenn man das Trinkgeld streicht? Den Wirt oder die Bedienung?
Die Psychologie der Ablehnung: Drei Gründe für den Ärger
- Die „Geiz-oder-Protest“-Frage: Viele Kommentatoren (vor allem Servicekräfte) sahen mangelnde Empathie. Typische Zitate: „Essen wie ein Fürst und zahlen wie ein Bettelmann.“
- Die Preis-Normalisierung: Andere Nutzer argumentierten, 25 Euro pro Person für ein Abendessen seien heute normal, besonders in Ballungszentren wie Wien oder Linz. „Mach dich nicht lächerlich.“
- Die Wut auf das System: Eine Minderheit verteidigte den Gast. Sie argumentierten, höhere Preise und Steuern seien das Problem des Wirtes, nicht das des zahlenden Kunden. „Wenn die Chefs ihre Angestellten klein halten, ist das nicht auf meinem Mist gewachsen.“
Fakt ist: In Österreich wie in Deutschland ist Trinkgeld rechtlich eine freiwillige Geste. Doch für viele Servicekräfte, deren Grundgehalt oft nur knapp über dem Mindestlohn liegt, macht es den entscheidenden Unterschied.

Die Knigge-Regel vs. die Realität im Wiener Kaffeehaus
Der Deutsche Knigge-Rat empfiehlt fünf bis zehn Prozent des Rechnungsbetrags als angemessen. Aber wie sieht das in der Praxis aus, wenn ein einfaches Schnitzel bereits 20 Euro kostet und die Gesamtbelastung steigt?
Viele übersehen, dass sich der Service selbst kaum verändert hat, aber die Preise massiv explodiert sind. Wenn Sie im traditionellen Kaffeehaus in der Inneren Stadt sitzen, erwarten Sie dieselbe Freundlichkeit wie vor fünf Jahren, zahlen aber 30 Prozent mehr.
Ihr Protest gegen hohe Preise trifft die falschen: Die Kellner, die hart arbeiten, können nichts für die Energiepreise oder die steigenden Mieten des Lokals.
Der beste Lifehack: So geben Sie Trinkgeld, ohne arm zu werden
Die Lösung liegt meistens in der Klarheit und im Timing. Wenn Sie das Gefühl haben, das Servicepersonal leistet gute Arbeit, aber Sie wollen nicht „blind“ aufrunden, gibt es einen eleganten Weg.
Die „kleine Geste für großen Unterschied“:

Wenn die Rechnung 43,80 Euro beträgt, runden viele auf 45 Euro auf. Das sind 1,20 Euro.
Besser und effektiver: Sagen Sie: „Machen Sie 47 Euro.“ (3,20 Euro Trinkgeld).
- Es signalisiert, dass Sie sich bewusst für eine höhere Summe entschieden haben (etwa 7–8 Prozent).
- Sie erhöhen den Trinkgeldbetrag substanziell, ohne direkt 10 Prozent geben zu müssen, was sich bei 100 Euro schnell „viel“ anfühlt.
- Sprechen Sie es immer aus und halten Sie es präzise. Das zeugt von Respekt und vermeidet Verwirrung beim Aufrunden.
Ich habe in meiner Recherche bemerkt, dass Servicekräfte weniger auf den Prozentsatz schauen, sondern darauf, ob der Gast eine bewusste Entscheidung getroffen hat.
Fazit: Die Preisspirale trifft das Personal
Ob Sie nun mit dem Gast einer Meinung sind oder ihn als „Geizhals“ abstempeln: Der Fall zeigt, dass die Rolle des Trinkgelds in unserer Gesellschaft neu verhandelt wird. Ein Protest gegen überteuerte Gastronomie ist verständlich, darf aber nicht auf dem Rücken derer ausgetragen werden, die vom Service leben.
Die 100 Euro, die Sie für das Essen bezahlen, decken in erster Linie Ware, Miete und Steuern. Nur ein kleiner Anteil davon erreicht das Personal. Wenn Sie sich das Trinkgeld sparen, zahlen Sie zwar weniger, verweigern aber im Grunde die direkte Wertschätzung für die erbrachte Leistung.
Und jetzt Sie: Fühlen Sie sich bei den aktuellen Preisen noch verpflichtet, Trinkgeld zu geben, oder ist Ihr „Tip“ bereits im Hauptspeisepreis inkludiert?
