Warum erfahrene Sänger 3 bis 6 Mal pro Minute atmen und wie das den Blutdruck senkt

Warum erfahrene Sänger 3 bis 6 Mal pro Minute atmen und wie das den Blutdruck senkt

Fühlen Sie sich nach einem langen Tag in Wien, Salzburg oder Graz oft ausgebrannt, gestresst und die Laune ist im Keller? Viele versuchen es mit Yoga oder Meditation, aber der Aufwand schreckt ab. Ich habe eine Methode gefunden, die viele unterschätzen: Singen. Und es ist völlig egal, ob Sie dabei klingen wie Wolfgang Ambros auf der Alm oder eher wie ein heiserer Rabe.

Die Wissenschaft ist sich einig: 10 bis 15 Minuten bewusstes Singen pro Tag können nicht nur Ihre Stimmung radikal verbessern, sondern auch den Blutdruck regulieren, Stresshormone abbauen und sogar Ihre Lebenserwartung erhöhen. Hier erfahren Sie, warum die Ignoranz gegenüber dieser simplen „Medizin“ der größte Fehler ist, den Sie heute machen.

Der Insider-Tipp der Profis: Wie tiefe Atmung Ihr System neu startet

Wenn wir atmen, versorgen wir unseren Körper mit Sauerstoff. Beim Singen geschieht etwas Besonderes. Musiktherapeut Wolfgang Bossinger bemerkte dazu, dass wir im Ruhezustand etwa 16 bis 20 Mal pro Minute atmen. Wenn wir aber meditativ singen, sinkt unser Atemrhythmus auf revolutionäre 3 bis 6 Atemzüge pro Minute.

Diese extreme Verlangsamung kommt durch das Tiefatmen zustande, welches Profis nutzen: Sie atmen nicht in die Brust, sondern tief „in den Bauch“. Das Zwerchfell senkt sich und die Lunge kann sich maximal entfalten. Das Ergebnis ist frappierend:

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  • Die Sauerstoffsättigung im Blut steigt signifikant an.
  • Stoffwechsel und Kreislauf werden angekurbelt (funktioniert wie leichtes Dehnen).
  • Die tiefere Atmung regt die Verdauung an und sorgt damit für ein besseres Körpergefühl. Viele übersehen diesen Effekt!

Aber da gibt es noch eine ganz entscheidende Nuance: Beim Ausatmen bewegt sich das Zwerchfell nach oben, was einen Sog erzeugt, der dem Herzen hilft, das Blut aus den Beinen zurückzupumpen. Das ist kostenloses, rhythmisiertes Herz-Kreislauf-Training.

Wie die „singende Seele“ Stresshormone bekämpft

Der Hauptgrund, warum sich Singen so gut anfühlt, liegt in unserem automatischen oder sogenannten vegetativen Nervensystem. Dieses System hat zwei Gegenspieler: den Sympathikus (aktives „Kampf und Flucht“-System bei Stress) und den Parasympathikus (das „Ruhe und Verdauung“-System).

Da wir in Österreich oft von der Arbeit (oder dem Pendeln) gestresst sind, ist der Sympathikus meist überaktiv. Singen, insbesondere die lange Ausatmungsphase, ist ein direkter Aktivator für den Parasympathikus. Ich habe in meiner Praxis oft gesehen, dass die Leute nach der ersten Gesangseinheit merklich entspannter waren.

Die chemische Reaktion, die uns glücklich macht

Singen ist ein körpereigener Doping-Cocktail, der sofort wirkt. Schon nach einer halben Stunde stimuliert das Gehirn nicht nur Endorphine und Serotonin (die Klassiker), sondern auch andere wichtige Substanzen:

  • Oxytocin: Das sogenannte Bindungshormon (auch „Kuschelhormon“ genannt) wird freigesetzt. Dies erklärt, warum Chorsingen uns noch glücklicher macht als Solo-Singen – man baut eine tiefere, soziale Beziehung auf.
  • Cortisol: Die Spiegel der wichtigsten Stresshormone sinken drastisch.
  • Melatonin: Die Zirbeldrüse wird stimuliert, was die Ausschüttung von Melatonin fördert. Dies kann nicht nur den Schlaf verbessern, sondern hat auch tumorhemmende Effekte.

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Der spezifische Immunitäts-Booster: Ein Beweis aus der Kirche

Viele sprechen über Vitamin C oder Ingwer, um die Abwehrkräfte zu stärken – aber wer denkt an die eigene Stimme? Eine Studie der Goethe-Universität Frankfurt lieferte den spezifischen Beweis, der diese Methode glaubwürdig macht.

Forscher untersuchten Speichelproben von Kirchenchormitgliedern. Nach der Probe stieg die Anzahl der Immunglobuline A (IgA) signifikant an. Diese Eiweiße sind der Schutzschild, den der Körper an den Schleimhäuten gegen Krankheitserreger bildet. Interessanterweise blieb dieser Effekt bei den Kontrollgruppen, die nur Musik hörten, aus. Die Bewegung, die wir beim Singen ausführen, ist der eigentliche Schlüssel.

Praxis-Tipp: Wie Sie sofort anfangen können

Der größte Fehler ist zu denken, man müsse sofort einem Chor beitreten. Das ist nicht nötig! Beginnen Sie dort, wo es am einfachsten ist:

  1. Wählen Sie Ihr Lieblingslied (egal ob Volksmusik oder Pop).
  2. Stellen Sie sicher, dass Sie tief in den Bauch atmen, bevor Sie den Ton halten (wie oben beschrieben).
  3. Singen Sie laut und bewusst für 10 bis 15 Minuten.
  4. Probieren Sie es im Auto auf dem Weg zum Billa oder im Wohnzimmer, wenn die Familie nicht stört. Keine Angst vor dem Schiefsein – es geht um die Atmung und die Emotionen, nicht um Perfektion.

Wissenschaftler haben bereits in den 90er-Jahren bewiesen, dass Chormitglieder und Gesangsgruppen eine signifikant höhere Lebenserwartung haben. Wenn Sie also etwas für Ihre Gesundheit tun wollen, das Spaß macht und keine Fitness-Studio-Mitgliedschaft kostet, ist Singen die Antwort.

Haben Sie in letzter Zeit bewusst gesungen, und wenn ja, welchen positiven Effekt haben Sie sofort gespürt?

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