Regierung lockert starre Regeln für Deutschförderung an Schulen

Regierung lockert starre Regeln für Deutschförderung an Schulen

Nach jahrelanger Kritik aus Schulen und Wissenschaft zieht die Regierung Konsequenzen: Das umstrittene System der Deutschförderklassen wird grundlegend reformiert. Ab dem kommenden Schuljahr dürfen Schulen selbst entscheiden, wie sie den Deutschunterricht für Kinder mit Sprachdefiziten organisieren – ob in eigenen Gruppen oder integriert im Regelunterricht.

„Wie Sprachförderung am besten funktioniert, wissen die Schulen selbst“, erklärte Bildungsminister Christoph Wiederkehr (NEOS) am Mittwoch nach dem Ministerratsbeschluss. Ziel sei mehr Autonomie, Flexibilität und gezielte Unterstützung.

Mehr Freiraum für Schulen

Das starre Modell der Förderklassen wurde 2018/19 unter der damaligen türkis-blauen Regierung eingeführt. Kinder, die den Mika-D-Test nicht bestehen, gelten seither als „außerordentliche Schüler:innen“. Sobald acht oder mehr davon an einer Schule sind, muss eine eigene Förderklasse eröffnet werden – mit 20 Stunden Sprachunterricht pro Woche. Nur in Fächern wie Musik, Werken oder Sport nehmen die Kinder am Regelunterricht teil.

Rund 46.000 Kinder waren zuletzt österreichweit betroffen, davon fast 19.000 in Wien. Die Kritik an diesem System war seit Jahren laut: Das Separieren der Kinder führe zu Abschottung statt Integration und erschwere das Deutschlernen im Alltag, betonten Pädagog:innen und Expert:innen immer wieder.

Wiederkehr selbst war nie ein Befürworter des alten Modells. Schon als Wiener Bildungsstadtrat hatte er dessen Abschaffung gefordert. Nun setzt er sie als Bundesminister um – gemeinsam mit der neuen Regierung aus ÖVP, SPÖ und NEOS.

Was sich ändert

Künftig können Schulen zwischen zwei Varianten wählen:

  • Separate Deutschförderklassen (wie bisher), oder
  • Integrativer Deutschunterricht im Klassenverband.

Die finanziellen Ressourcen bleiben gleich, betonte Wiederkehr. Zusätzlich sollen Schulen fachliche Unterstützung und eine wissenschaftliche Begleitevaluation erhalten, um erfolgreiche Modelle sichtbar zu machen.

Auch der Mika-D-Test wird überarbeitet. Er soll zielgenauer und weniger bürokratisch werden. Statt zwei Testungen pro Jahr wird künftig nur noch einmal jährlich geprüft, um den Aufwand für Lehrkräfte zu verringern. Bei deutlichen Lernfortschritten kann weiterhin ein Zusatztest erfolgen, der über den Wechsel in die Regelklasse entscheidet.

Neu ist außerdem: Auch Kinder mit „nicht genügend“ im Test dürfen künftig mit Zustimmung der Schulkonferenz in die nächste Schulstufe aufsteigen. So sollen Laufbahnverluste und Frustration vermieden werden.

Regierung lockert starre Regeln für Deutschförderung an Schulen

Unterschiedliche Reaktionen

Die Reaktionen auf die Reform fallen gemischt aus.
Die FPÖ spricht von einer „Aufweichung“ und warnt vor einem Leistungsabfall im Regelunterricht. Bildungssprecher Hermann Brückl meinte, das System sei durch die fast 50.000 außerordentlichen Schüler „bereits überfordert“.

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Lob kam hingegen von den Grünen. Bildungssprecherin Sigrid Maurer begrüßte, dass die Regierung die Ergebnisse der von ihrer Partei initiierten Evaluierung nun umsetzt. Sie kritisierte jedoch, dass der Ausbau der Deutschförderkräfte ins Stocken geraten sei: Von den versprochenen 750 neuen Stellen seien bisher nur 285 besetzt worden.

Auch Industriellenvereinigung (IV) und Arbeiterkammer (AK) zeigten sich positiv. Beide betonten die Bedeutung einer qualitätsgesicherten und wirksamen Sprachförderung, mahnten jedoch an, dass mehr ausgebildetes Personal notwendig sei, um die Reform erfolgreich umzusetzen.

Ein Schritt zu mehr Praxisnähe

Mit der Neuregelung will das Bildungsministerium die Verantwortung stärker an die Schulen selbst zurückgeben. „Wir vertrauen auf die Kompetenz der Pädagoginnen und Pädagogen vor Ort“, so Wiederkehr. Das Ziel sei, die Zahl der außerordentlichen Schüler:innen langfristig zu senken – durch mehr Ressourcen, bessere Rahmenbedingungen und echte pädagogische Freiheit.

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