Diskussion um Pflegegrad 1: Herausforderungen und Perspektiven
Im Landkreis Ebersberg leben nahezu 5000 Menschen mit einem anerkannten Pflegegrad. Unter diesen befinden sich etwa 750 Personen in der ersten Pflegestufe. Die Bundesregierung erwägt nun die Abschaffung dieses Pflegegrades aufgrund finanzieller Engpässe in der gesetzlichen Pflegeversicherung. Diese Überlegungen führen zu unterschiedlichen Meinungen unter den Pflege-Dienstleistern und den Betroffenen.
Aktuelle Situation im Landkreis Ebersberg
Laut dem bayerischen Landesamt für Statistik waren im Dezember 2023 insgesamt 4965 Personen im Landkreis Ebersberg mit einem Pflegegrad registriert. Von diesen sind rund 750 Menschen in Pflegegrad 1 eingestuft, wobei lediglich 67 von ambulanten Pflegediensten betreut werden. Ein anerkannter Pflegegrad ermöglicht den Zugang zu verschiedenen Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung, die jedoch in Umfang und Höhe variieren.
Die Einstufung in Pflegegrad 1 betrifft Personen mit „verhältnismäßig geringen Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten“, wie etwa bei Wirbelsäulen- oder Gelenkerkrankungen. Betroffene haben Anspruch auf individuelle Pflegeberatung, finanzielle Zuschüsse zur Anpassung ihres Wohnumfeldes sowie auf einen monatlichen Entlastungsbetrag von bis zu 131 Euro für die häusliche Pflege.
Finanzielle Herausforderungen für Betroffene
Petra Topolko, Geschäftsführerin eines Pflegeunternehmens aus Markt Schwaben, berichtet von den finanziellen Schwierigkeiten, mit denen ihre Klienten konfrontiert sind. „In der Pflege merkt man, dass die Leute kein Geld mehr haben“, erklärt sie. Oft müsse sie bei den Rechnungen ein Auge zudrücken, da der monatliche Zuschuss nicht ausreiche. Patienten müssen häufig den Restbetrag selbst tragen, was die finanzielle Belastung erhöht.
Ihr Pflegedienst betreut derzeit zwölf Personen mit Pflegegrad 1, wobei die Mitarbeiter eine Vielzahl von hauswirtschaftlichen Leistungen wie Putzen, Einkaufen und Körperpflege anbieten. Viele Angehörige sind tagsüber beruflich eingespannt oder wohnen nicht in der Nähe der Pflegebedürftigen, was die Notwendigkeit solcher Dienstleistungen unterstreicht. Topolko äußert, dass eine Abschaffung des Pflegegrades 1 für die Betroffenen ungerecht wäre, da die Unterstützung durch Pflegedienste für viele eine wichtige Hilfe darstellt.
Unterschiedliche Perspektiven unter Pflegeanbietern
Die Sichtweise auf die Abschaffung des Pflegegrades 1 ist jedoch nicht einheitlich. Marlene Springer, Pflegedienstleiterin eines ambulanten Pflegedienstes, sieht die Situation anders. Ihre erste Reaktion auf die Überlegungen der Bundesregierung war Skepsis. „Die meisten wollen Putzhilfen“, sagt sie und verweist auf die häufigen Anforderungen der Patienten. Die Dienstleistungen, die von Pflegegrad 1 abgedeckt werden, konzentrieren sich vor allem auf hauswirtschaftliche Tätigkeiten, während viele Pflegedienste diese Leistungen als unzureichend erachten.
Springer betreut rund 20 Personen mit Pflegegrad 1 und erklärt, dass der Stundensatz für Fachkräfte deutlich höher ist als die Vergütung, die für solche Dienste gezahlt wird. „Es ist Geld da, in der Generation“, merkt sie an, stellt jedoch fest, dass viele Klienten nicht bereit sind, zusätzliche Kosten zu übernehmen. Trotz dieser Herausforderungen ist die Einstufung in Pflegegrad 1 entscheidend, um gegebenenfalls in einen höheren Pflegegrad eingestuft zu werden, was für viele Betroffene von großer Bedeutung ist.
Die Diskussion um die Abschaffung des Pflegegrades 1 wirft somit grundlegende Fragen auf, die sowohl die finanzielle Situation der Betroffenen als auch die Struktur der Pflegeleistungen betreffen. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Situation entwickeln wird und welche Lösungen gefunden werden, um den Bedürfnissen der pflegebedürftigen Menschen gerecht zu werden.
