Geopolitischer Druck und Krypto-Offensive aus den USA setzen Europa unter Zugzwang. Kann der neue europäische Zahlungsdienst „Wero“ den Rückstand aufholen?
Der Zahlungsdienst Wero soll als europäische Alternative zu etablierten Anbietern wie PayPal und Mastercard fungieren. In Anbetracht geopolitischer Spannungen und einer zunehmenden Abhängigkeit von US-amerikanischen Zahlungsdiensten stellt sich die Frage, ob Wero Europas Banken von dieser Abhängigkeit befreien kann.
In Europa ist Wero bislang noch weitgehend unbekannt. Der Name setzt sich aus dem englischen Wort „we“ für „wir“ und „Euro“ zusammen und steht für ein Bezahlsystem der European Payments Initiative (EPI). Diese Initiative hat das Ziel, eine einheitliche europäische Zahlungsinfrastruktur zu schaffen. Laut der französischen Société Générale Bank hat die Wero-App bereits über 43 Millionen registrierte Nutzer in den teilnehmenden Ländern. Bisher ermöglicht Wero, ähnlich wie PayPal, Echtzeit-Überweisungen zwischen Privatpersonen über E-Mail oder Handynummer an die digitale Geldbörse des Empfängers. In den kommenden Monaten soll Wero zudem beim Online-Shopping und in den nächsten Jahren im stationären Handel verfügbar gemacht werden.

Abhängigkeit von US-Anbietern
Die COVID-19-Pandemie hat viele Aspekte des Lebens digitalisiert, wodurch der Anteil an Online-Zahlungen im Euroraum erheblich gestiegen ist. Kontaktlose Zahlungsmethoden haben sich als besonders beliebt erwiesen, um Ansteckungsrisiken zu minimieren. Dennoch wird in Österreich noch immer der Großteil der Transaktionen in bar abgewickelt, wobei mobile und Kartenzahlungen stetig zunehmen. Der Nachteil ist, dass nahezu alle kontaktlosen Zahlungen über zwei große US-Anbieter – Mastercard und Visa – abgewickelt werden, die zusammen 98 Prozent der bargeldlosen Transaktionen in Österreich kontrollieren.
Diese Abhängigkeit birgt geopolitische Risiken, da US-amerikanische Unternehmen den amerikanischen Gesetzen unterliegen, was bedeutet, dass sie unter Umständen Zahlungen blockieren oder ihre Dienste in Europa einschränken könnten. Dies könnte die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union gefährden. Darüber hinaus besteht das Risiko gezielter Cyberangriffe auf die Zahlungsinfrastruktur, die auch Europa schwer treffen könnten.
Ein weiteres Problem stellt die zunehmende Dominanz von Stablecoins dar, die von US-Unternehmen gefördert werden. Diese sind an reale Währungen gebunden und ermöglichen es, kostengünstig globale Transaktionen durchzuführen. Sollte sich dieser Trend fortsetzen, könnte dies den Euro im internationalen Vergleich schwächen und europäisches Kapital in die US-Wirtschaft abfließen lassen. Vertreter aus der Finanzbranche warnen, dass Europa hier dringend handeln muss, um die wirtschaftliche Unabhängigkeit zu wahren.
Die Schaffung europäischer Stablecoin-Varianten wird bereits unter Privatbanken diskutiert, um den Euro zu stärken. Der Bedarf an europäischen Zahlungsalternativen wird von Experten als dringlich angesehen, insbesondere in Anbetracht der sich schnell entwickelnden Finanztechnologien.
Ein zentrales Thema in der Diskussion um die europäische Zahlungsinfrastruktur ist der geplante Digitale Euro, welcher eine digitale Version des Bargeldes darstellen soll. Diese Initiative wird sowohl von der Europäischen Zentralbank als auch von Privatbanken als wichtig erachtet, um die europäischen Zahlungsdienste zu unterstützen. Während die Österreichische Nationalbank den Digitalen Euro als Sicherheitsnetz betrachtet, äußern Privatbanken Bedenken über die Bürokratie und die möglichen negativen Folgen für die Kreditvergabe.
Die Einführung des Digitalen Euro könnte bis Ende des Jahrzehnts dauern, während Wero möglicherweise schneller in Österreich eingeführt wird. Einige österreichische Banken haben bereits Interesse an einer Zusammenarbeit mit Wero bekundet. Letztlich bleibt abzuwarten, ob die europäischen Verbraucher bereit sind, auf diesen neuen Zahlungsdienstleister umzusteigen, da die Konkurrenz aus den USA stark und etabliert ist. Dennoch könnte es sein, dass der kleine Anbieter gegen die großen Giganten gewinnt.