Anja Behnken steht im Licht, allein mit ihrem Körper. Die Muskeln zittern, die Kehle ist trocken, der Magen leer. Auf der Bühne beginnt der letzte Kraftakt – fünf Posen, eine Kür. Monatelange Vorbereitung verdichtet sich in Sekunden.
Anja Behnken steht im Rampenlicht, allein mit ihrem Körper. Ihre Muskeln zittern, die Kehle ist trocken und der Magen leer. Auf der Bühne beginnt der letzte Kraftakt – fünf Posen und eine Kür. Monatelange Vorbereitung verdichten sich in wenigen Sekunden.
Die Luft ist heiß, und die Bühne strahlt hell in den Saal. Anja Behnken spannt ihre Arme für die Frontdoppelbizeps-Pose. Ihr Blick konzentriert sich auf einen imaginären Punkt hinter dem Publikum, doch ein Krampf beeinträchtigt ihre Präzision. Diesmal fühlt sich ihr Körper nicht optimal an. Sie bemerkt, dass die Definition fehlt und die Muskulatur flacher wirkt als gewohnt. „Ich fühle mich dünn und ausgemergelt“, äußert sie einige Tage vor dem Wettkampf am Telefon. Dies sei das Resultat des „Entladens“, bei dem die Kohlenhydrate stark reduziert werden.
Die in Baden lebende Athletin weiß um die Herausforderungen, die sie erwartet. Morgens steht sie nüchtern auf die Waage und übermittelt die Werte an ihren Coach. Dieser passt ihren Ernährungsplan laufend an: weniger Kohlenhydrate, weniger Salz und kontrollierte Flüssigkeitszufuhr. In den letzten 48 Stunden vor dem Wettkampf wird die „Ladungsphase“ eingeleitet, bei der gezielt Kohlenhydrate zugeführt und entwässert werden, um Muskeln und Adern optimal zur Geltung zu bringen.
Anja, eine vierfache Mutter, hält sich das ganze Jahr über an ihren Plan, unabhängig von der Wettkampf- oder Off-Season. Vier Monate vor den ersten Shows beginnt die strikte Diätphase mit genau definierten Kalorien und Makronährstoffen. Auch nach dem Wettkampf folgt keine unkontrollierte Essensorgie, sondern eine viermonatige Rückdiät, da sie sonst Gefahr läuft, ihren Stoffwechsel aus dem Gleichgewicht zu bringen.
Vor dem Wettkampf beschränkt sich ihre Ernährung auf einige Reiswaffeln mit Konfitüre und gelegentlich einen Zitronenschnitz, wenn der Magen rebelliert. Auch am Wettkampftag bleibt sie dem Plan treu und nimmt alle zwei Stunden kleine Bissen zu sich. Anja lebt seit 25 Jahren für das Bodybuilding und trotz ihrer Routine bleibt ein gewisses Maß an Unsicherheit bestehen. Ihr Körper reagiert anders als gewohnt, und das Wasser sei noch nicht vollständig abgebaut. Der letzte Schliff an der Muskulatur, die sogenannte „Härte“, fehlt.

Der Wettkampftag
Am 18. Oktober ist es schließlich so weit – Anja muss ihre Form präsentieren. Der Wettkampf wird von einem internationalen Verband organisiert, und rund 170 Athleten aus 17 Ländern sind angereist. Die Atmosphäre in der Stadthalle in Dietikon ist geprägt von Nervosität und dem Geruch von Bräunungsprodukten. Die Athleten tragen eine spezielle Lotion auf, damit ihre Muskeln im Bühnenlicht besser zur Geltung kommen.
Im hinteren Teil der Halle bereiten sich die Athletinnen auf ihren Auftritt vor, stimmen Bikini, Make-up und Schmuck ab. Während sie sich auf ihren großen Moment vorbereiten, fordert ein italienischer Coach seine Athletin auf, zu lächeln, denn selbst das Lächeln wird in diesem Zustand zu einer Herausforderung.
Eine Stimme ruft die Athleten auf die Bühne, während Anja sich innerlich auf ihre Vorstellung vorbereitet. Obwohl sie sich eigentlich noch etwas hätte ausruhen sollen, kann sie ihre Nervosität nicht zügeln. Ihr Partner, ein Projektmanager und Rennradfahrer, unterstützt sie bei den Vorbereitungen, indem er ihren Körper mit Bräunungscreme einreibt und für den letzten Schliff sorgt.
Als Anja schließlich auf die Bühne tritt, muss sie fünf Pflichtposen präsentieren, darunter „Front Double Biceps“ und „Back Double Biceps“. Sie weiß, dass es in dieser Kategorie auf einen ästhetisch-muskelbetonten Körperbau ankommt. Die Kür mit freiem Posing zur eigenen Musik, die sie zusammen mit ihrem Choreografie-Coach einstudiert hat, folgt. Ihre Nervosität ist spürbar, doch sie gibt ihr Bestes.

Leider gehorcht ihr Körper nicht ganz, und während sie auf der Bühne steht, krampft ihr Arm. Mit dem Gefühl, dass ihr die Spannung fehlt, wird sie am Ende Dritte und kann ihren Titel nicht verteidigen. Dennoch verlässt Anja die Bühne ohne Frust, sondern mit einem Gefühl der Erschöpfung und Vorfreude auf das Essen und Trinken, das nun folgt. Sie genießt einen Proteinhamburger und gönnt sich auch etwas Schokolade, denn ab Montag geht es wieder zurück zur strengen Ernährung mit maximal 80 Gramm Kohlenhydraten pro Tag.
Der nächste Wettkampf in Malta steht in drei Wochen an, und Anja plant, bis dahin zu ihrem optimalen Zustand zurückzukehren. Gemeinsam mit ihrem Coach bespricht sie das Vorgehen für die kommenden Tage, um sich bestmöglich vorzubereiten.